Hallo Welt! Der erste Eintrag auf diesem Blog. Zunächst einmal, herzlich willkommen! Wer wissen möchte, was ihn oder sie hier erwartet: wir werden sehen.

Soll heißen, vieles ist noch offen, und das bekommt einem solchen Projekt grundsätzlich, nur die Richtung ist grob schon klar. Es geht ums Sehen, um das vielleicht bisher Übersehene, es geht um Fotografie als Kunst des Sehens, als Handwerk des Sehens, und es geht darum, wie wir in uns in der visuellen Welt finden und bewegen. Auch Themen abseits der Fotografie können vorkommen, wenn mir der Sinn danach steht.

Selbstverständlich ist dieser Blog ein persönliches Projekt, ohne jeden Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Es geht um meine Sicht auf einige Dinge, die mir interessant erscheinen. Wenn ich gelegentlich etwas Neues vor Augen führen kann, wenn einem ein Licht aufgeht, freut mich das. Wem es trüb erscheint oder dunkel, möge unter einer anderen Laterne suchen oder seinem eigenen Stern folgen.

Ich freue mich über Kommentare, über Erhellendes, natürlich auch Kritisches. Allzu ernst sollte man aber weder mich noch sich selbst nehmen. Falls erforderlich, werde ich meine Etikette durchsetzen.

Anfangs wird es sicher noch einige technische Schwächen und Bugs geben. Für Hinweise bin ich dankbar.

Zum Einstieg spreche ich über ein Bild, das ich 2015 in Norwegen gemacht habe. Ich möchte zeigen, was und wie ich sehe, und einen Eindruck davon geben, wie ich Bilder mache.

Hier ist das bearbeitete Foto:

Goldsaum (bei Selfjord, Lofoten, Norwegen)

Eine nordische Landschaft, einerseits vertraut genug, um unmittelbar erkennbar und ansprechend zu sein, andererseits nicht allzu bekannt und abgedroschen, um (hoffentlich!) einen Anreiz zu bieten, etwas länger und genauer zu schauen.

Ort. Das Foto ist am 5. November 2015 um 15:05 entstanden, in Norwegen auf den Lofoten, bei einer Fahrt von Reine nach Selfjord, bei einem Halt nahe Selfjord. Am rechten Rand sieht man ein Stück Leitplanke, dort führt die Straße weiter. Das ist ein Bildelement, das ich lieber vermieden hätte, aber es gehört zu diesem Ort. Ohne die Straße wäre ich vermutlich nie dorthin gelangt. Daher habe ich die Leitplanke auch nicht wegretuschiert.

Licht. Um diese Jahreszeit hat man so weit im Norden nicht mehr viele Sonnenstunden, und die Sonne steigt selbst zur Mittagszeit nicht sehr hoch über den Horizont. Das sorgt zum einen im Zusammenspiel mit Regen für viele Regenbögen (die ich an anderer Stelle am selben Tag auch fotografiert habe), zum anderen ist die Lichtstimmung den ganzen Tag über eher warm. Die lange Morgensonne geht bald in eine warme Abendsonne über.

Spiegelung. Allerdings gab es an diesem Tag auch viele Wolken, die größtenteils tief hingen. Das, zusammen mit Windstille, sorgte für zwei wesentliche Bildelemente: die Gipfel, die in den Wolken verschwinden, mit einem Kontrast zwischen hart und weich, dunkel und hell, und die Reflektion im Wasser, eine annähernde Symmetrie, eine Doppelung der Landschaft. Auch hier wieder der Kontrast zwischen hartem, dunklem Fels und hellem, weichem Wasser, in dem sich zudem die hellen, noch flüchtigeren Wolken spiegeln. Es gibt Anklänge an die Ästhetik chinesischer Tuschemalerei, wo ‚Landschaft‘ ebenfalls Stein und Wasser bedeutet.

Farben. Auf den ersten Blick hat man große Kontraste: alles Solide ist dunkel, alles Weiche ist hell. Bei genauerem Hinsehen ist das Bild aber überraschend farbig, mit Rot-, Grün- und Blautönen in vielerlei Abstufungen, bei geringer Sättigung. Bedeckter Himmel ist hervorragend, um solche Farben und Abstufungen zur Geltung zu bringen. Die farbliche Grundstimmung ist kühl, aber die niedrigen Hügel liegen wie ein warmes, rotbraunes Band in der Bildmitte.

Ein besonderes Bildelement ist der gelb-goldene Saum um die Hügelspitzen in der Reflektion links von der Bildmitte. Auf den eigentlichen Hügelspitzen ist das Gold nicht zu sehen, aber durch die minimale Bewegung des Wassers lösen sich nicht nur die Formen leicht auf, sondern es entstehen auch Farbmischungen, hier eben Gold. Daher der Titel des Bildes.

Technisches. Für Interessierte, das Bild ist mit einer Canon EOS Mark III mit EF 24-105 bei 35mm aufgenommen. Blende war 7.1, Belichtungskorrektur +0.3 bei ISO 100, Belichtungszeit 1/30 Sekunde.

Bildzuschnitt. Das Bild ist im Panoramaformat mit einem Seitenverhältnis von 2,4 : 1. Ich benutze gerne diesen Zuschnitt, der nahe am klassischen Breitbandkino (2,38 : 1) ist. Es entsteht ein Eindruck von Weite. Das Panoramaformat ergab sich durch Zuschneiden eines einzigen Bildes, nicht durch Zusammenfügen mehrerer Bilder. Zum Vergleich zeige ich das unbeschnittene Bild (die Farben sind schon bearbeitet):

Hier störten mich die Strommasten am rechten Bildrand, und die Spiegelung kam nur schwach zur Wirkung. Zudem ist das nahe Ufer eher langweilig.

Eine Regel der Landschaftsfotografie besagt, dass der Betrachter einbezogen werden soll, indem man ein Bildelement im Vordergrund hat, das in Betrachternähe ist und gleichzeitig eine Beziehung zum Hauptteil des Bildes herstellt, der in der Regel in der Entfernung, im Hintergrund ist. Das beschnittene Bild erfüllt diese Regel nur noch schwach, durch den Hügel am rechten Bildrand.

Durch den Zuschnitt habe ich aber zum einen wesentlich mehr Symmetrie gewonnen und die Spiegelung herausgestellt, zum anderen entsteht ein Eindruck von Leichtigkeit und Weite. Neben dem Panoramaformat spielt dabei eine Rolle, dass am ganzen unteren Bildrand nun Wasser ist, und am oberen Rand Himmel. Dadurch ’schwebt‘ die Landschaft, was im unbeschnittenen Bild nicht der Fall war.

Bearbeitung. Das Originalbild war etwas unterbelichtet und hatte allzu große Kontraste. Das ist typisch, wenn man eher dunkle Landschaften unter hellen Himmeln fotografiert, aber was die Kamera dort festhält, unterscheidet sich deutlich von dem, wie wir eine solche Landschaft sehen.

Ich habe die Belichtung um eine ganze Stufe nach oben korrigiert, die Kontraste etwas gemildert und die Farbsättigung angehoben. Außerdem kommt eine leichte Gradationskurve zum Einsatz. Vom oberen Bildrand bis etwa zur Bildmitte habe ich einen leichten Verlaufsfilter gelegt, der den Himmel etwas abdunkelt. Das Ziel war, dem natürlichen Seheindruck, wie ich ihn an dem Tag in der Situation hatte, möglichst nahe zu kommen. Weil die Bildbearbeitung erst Wochen nach dem Fotografieren stattfand, kann das nie ganz objektiv sein, aber es ist subjektiv ‚wahr‘.

Wirkung. Beim Fotografieren von Landschaften orientiere ich mich an dem, was ich sehe, was ich empfinde und was ich festhalten möchte, und denke erst einmal nicht an ein Publikum. Daher ist es vielleicht legitim, über die Wirkung des Bildes auf mich zu sprechen, eine rein subjektive Angelegenheit. Was der Leser und Betrachter sieht, mag sich ein wenig oder ganz und gar unterscheiden – über Kommentare freue ich mich.

Bei dem hier besprochenen Bild handelt es sich um eins von mehreren hunderten, die ich am selben Tag aufgenommen habe. Weshalb habe ich dieses Bild ausgewählt? Es ist immer viel Bauchgefühl dabei, und bei der Aufnahme selbst weiß ich in aller Regel noch nicht, ob das Bild wirklich gut geworden ist (im subjektiven, persönlichen Sinn). Die Sichtung am großen Bildschirm, der Vergleich mit den anderen Bildern desselben Tages, und auch der weniger direkte Vergleich mit all den Bildern auf meiner Festplatte und, noch allgemeiner, mit den Bildern in meinem Kopf, mit Sehgewohnheiten und Erfahrungen, führen meist recht schnell und intuitiv zu einer kleinen Auswahl von Bildern, die ich gerne bearbeiten möchte. Dabei gibt es manchmal Überraschungen, mitunter ‚funktioniert‘ ein Bild durch Bearbeitung noch besser als erwartet, aber manchmal passiert auch das Gegenteil.

Ein paar Kriterien, die das Bild ‚Goldsaum‘ erfüllt, und die in meiner Landschaftsfotografie allgemein eine Rolle spielen, sind:

  • Struktur: klare Bildaufteilung, Linien und Struktur, hier unter anderem durch die Symmetrie der Spiegelung. In der Bearbeitung beschneide ich Bilder oft ziemlich radikal. Wenn es gelingt, ist es eine Reduktion aufs Wesentliche. Auch das Panoramaformat trägt bei, indem es weglässt.
  • Arbeiten mit dem Wetter: viele Orte besuche ich nur einmal (es gibt so viel zu sehen!), und dann ist das Wetter eben so, wie es ist. Hier führen die tiefhängenden Wolken zu einem interessanten Kontrast mit den Felsen.
  • Gemäldeartiger Charakter: ein Ziel ist es, dass meine Bilder auch ‚funktionieren‘, wenn man die Augen ein wenig zusammenkneift und nur die großen Strukturen sieht. Dabei kommt es auf die Bildaufteilung und die Bildgewichte an, also die Verteilung von Hell und Dunkel, ebenso die Farbverteilung. Vielerlei visuelle und ästhetische Einflüsse spielen eine Rolle, vor allem natürlich aus der Malerei. ‚Goldsaum‘ hat, wie erwähnt, Anklänge an die Ästhetik chinesischer Tuschemalerei.
  • Ruhe: nicht immer, aber häufig finde ich Bilder, die Ruhe ausstrahlen. (Oder die Bilder finden mich? Das wird vielleicht einmal das Thema für einen anderen Blogbeitrag.) Ruhe bedeutet nicht Statik, auch nicht Langeweile, sondern Unaufgeregtheit, Klarheit und den Charakter von Stille. An guten Tagen entspricht das dem, wie ich mich mit der Kamera durch die Landschaft bewege.

Genug für heute. Was seht Ihr? Ich bin sehr gespannt auf Eure Kommentare. Anmerkungen, Fragen, Kritik, alles ist willkommen.

P.S.: Selbstverständlich kann man das Bild ‚Goldsaum‘ auch kaufen. Bei Interesse einfach schreiben an info@andreas-doering.net.